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Gutes Beispiel: Zeisigweg in Dreieich – Bildung für nachhaltige Entwicklung am Beispiel von Kinderrechten und Beschaffung im Kita-Alltag

Interview mit Barbara Nowicz, Kita-Leitung der städtischen Kindertagesstätte Zeisigweg in Dreieich (Hessen), Ko-Kita der Projektregion West

 

KKN: Welche Bedeutung hat Kinderbeteiligung bei Euch in der Kita?

Barbara Nowicz: Beteiligung der Kinder spielt bei uns eine wesentliche Rolle. Das ist uns gerade in Bezug auf Bildung für nachhaltige Entwicklung wichtig. Denn Themen der Nachhaltigkeit kommen auch aus der Welt der Kinder: Ob im Umgang mit natürlichen Ressourcen, Konsum oder sozialer Gerechtigkeit.

Wichtig ist uns dabei vor allem die Haltung gegenüber dem Kind. Wir nehmen sie als ebenbürtige Bürger*innen wahr. Das beginnt schon bei der Begrüßung – alle werden morgens per Handschlag begrüßt. In der „Hallo-Guten-Morgen-Runde“ und in den Arbeitsgruppen äußern die Kinder ihre Wünsche und Anliegen. Demokratisch werden neue Regeln für den Kita-Alltag festgelegt.

 

KKN: Welche Beispiele kannst du dafür nennen?

Barbara Nowicz: Da ist beispielsweise die Regel mit den „Überzieh-Pantoffeln“. Die Kinder haben sich darüber beschwert, dass Eltern und Gäste mit ihren zum Teil dreckigen und nassen Schuhen in die Einrichtung kommen. Eines Tages hatte sich ein Kind auf den Boden gesetzt und hatte einen nassen Po. Da haben die Kinder in der „Hallo-Guten-Morgen-Runde“ den Wunsch geäußert, dass Eltern gar nicht mehr in die Einrichtung dürfen.

Meine Vorgängerin Randi Broisch und ich haben diese Entscheidung den Eltern mitgeteilt. Die fanden es gar nicht lustig, die Einrichtung nicht mehr betreten zu dürfen.

Das haben wir dann eine Woche später in der „Hallo-Guten-Morgen-Runde“ den Kindern berichtet. Ein Kompromiss musste also her. Und da erzählte ein Kind von „Überzieh-Pantoffeln“, die es aus einem Museum kannte. Es wurde gemeinsam entschieden, dass wir davon einige Paare anschaffen.

So erfahren die Kinder, dass sie Rechte haben und mitgestalten können. Sie eignen sich Kompetenzen an, die für ein verantwortungsvolles und umweltbewusstes Handeln erforderlich sind.

 

KKN: Wo werden die Kinder außerdem beteiligt?

Barbara Nowicz: Das passiert bei uns im Alltag eigentlich überall, situativ. Sie lernen selbstwirksam zu agieren.

Wir haben beispielsweise verschiedene Arbeitsgruppen, an denen die Kinder sich freiwillig beteiligen. Die Arbeitsgruppen werden von einer pädagogischen Fachkraft begleitet, um die Ergebnisse festzuhalten. So gibt es beispielsweise eine Arbeitsgruppe mit dem Thema Kinderrechte. Zu Beginn malten sie die 10 wesentlichen Kinderrechte auf. Sie überlegten sich Symbole, damit die Kinderrechte für alle transparent sind, auch für die Eltern und das Kita-Team. Das „Recht auf Privatsphäre“ wird beispielsweise durch ein Foto einer kleinen Schatztruhe dargestellt.

Anlässlich des Weltkindertages am 20. September 2023 haben die Kinder Stationen zu den Kinderrechten entwickelt. Kitas aus der Nachbarschaft wurden eingeladen, diese Stationen kennenzulernen. Dabei bekommt jede*r Besucher*in ein Stempelheft und läuft die Stationen ab, die von unseren Kindern betreut werden. Eine Station war beispielsweise zum „Recht auf Gesundheit“. Im Vorfeld haben die Kinder verschiedene Lebensmittel oder Aktivitäten auf einzelne Karten gemalt. In unterschiedlichen Ecken auf dem Außengelände hing eine rote Fahne für ungesund und eine grüne Fahne für gesund. Auf einer Karte war zum Beispiel ein Mensch im Schwimmbad gemalt und alle Gäste sind in die Ecke „gesund“ gelaufen. Bei der nächsten Karte mit Süßigkeiten darauf, liefen alle in die Ecke „ungesund“. Bei dieser Aktivität können die Kinder unterschiedliche Kompetenzen erwerben. In der Vorbereitung planen sie gemeinsam, sie übernehmen Verantwortung und sie geben ihr Wissen an andere Kinder weiter. Das macht sie stolz und sie erleben, dass sie (selbst)-wirksam sein können.

 

KKN: Neben der Beteiligung von Kindern, ist Bildung für nachhaltige Entwicklung auch bei der Bewirtschaftung und Beschaffung ein großes Thema für euch. Kannst du dafür Beispiele nennen?

Barbara Nowicz: Auch das passiert bei uns situativ und nach und nach. Beispielsweise war unser Sandspielzeug aus Plastik kaputt. Wir haben es auf einem Haufen gesammelt und gemeinsam mit den Kindern in der täglich stattfindenden „Hallo-Guten-Morgen-Runde“ überlegt, wie wir mit dem kaputten Plastikspielzeug umgehen. Die Kinder hatten die Idee dieses durch alte Töpfe etc. zu ersetzen, denn robuster und langlebiger als Plastikspielzeug sollte die Alternative sein. Also wurden kurzerhand ein Plakat mit abgebildeten Kellen und Töpfen gestaltet und der Spendenaufruf bei Eltern und Großeltern startete. Seitdem wird nur noch mit alten Suppenkellen statt Plastikschaufeln gebuddelt.

Aber auch bei der sonstigen Beschaffung achten wir auf die Herkunft der Produkte. Wir suchen nach plastikfreien Alternativen und entwickeln Spielzeuge aus Alltagsmaterialien, beispielsweise einen Tischkicker aus einem alten Karton.

 

KKN: Wie spiegelt sich die Nachhaltigkeit in eurer Ernährung wider?

Barbara Nowicz: Uns ist eine gesunde und nachhaltige Ernährung wichtig. Wir kochen selber. Manche Produkte beziehen wir regional, beispielsweise Milch in Glasflaschen vom benachbarten Bauern. Regionales, bio-zertifiziertes Korn wird geliefert, die Kinder mahlen es per Hand und backen Brot, welches beim gemeinsamen Frühstücksbuffet angeboten wird. Bei der Bestellung von Lebensmitteln sind die Kinder und die Köchin im Dialog. Wir richten uns dabei nach den Empfehlungen der deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Damit ist der Rahmen festgelegt, wie viele Gemüseanteile es in der Woche beispielsweise geben soll. Ob es Zucchini oder Brokkoli gibt, das entscheiden die Kinder. Die Saisonalität berücksichtigen wir dabei ebenfalls.

 

KKN: Warum war es euch wichtig euch im Klima-Kita-Netzwerk als Konsultations-Kita zu engagieren?

Barbara Nowicz: Wir wollen Ansporn und Motivation für andere Kitas sein und finden den Austausch untereinander sehr wichtig. Deswegen geben wir auch selbst BNE-Fortbildungen. Wir freuen uns, dass durch das Klima-Kita-Netzwerk eine Plattform zum Austausch, auch bundesweit, geschaffen wurde. Gerne teilen wir unsere Erfahrungen, ob bei Hospitationen, in Workshops auf Fachtagen, in digitalen Formaten oder in gemeinsamen Kooperationsveranstaltungen mit dem Klima-Kita-Netzwerk, der Stadt Dreieich und unserer Einrichtung.

Region West

Einrichtung: Städtische Kindertagesstätte Zeisigweg in Dreieich

Träger: Stadt Dreieich

Einrichtungsleitung: Barbara Nowicz

Anzahl Gruppen: Offenes Konzept

Anzahl Kinder: 60

Alter der Kinder: 3-6 Jahre

Anzahl MA: 7 MA im päd. Team und 2 Küchenhilfen

Anzahl MA: Konsultationskita im Klima-Kita-Netzwerk; Bildung für nachhaltige Entwicklung zentral in der Kita verankert

 

Fragen zu guten Beispielen?

Dann melden Sie sich gerne per

E-Mail: info@klima-kita-netzwerk.de